Oh!Nur dies, nur dies!
Stille!
Das ist die Erfahrung des unmittelbaren Augenblicks.
Bevor sich der gewaltige Filter unseres Bewertungssystem davor schiebt.
Bevor wir identifizieren, klassifizieren, bewerten und einordnen.
Bevor die angelernten Muster und erworbenen Konditionierungen zu einer automatischen Reaktion führen: „Kenn ich doch schon. Langweilig!“ oder „Schrecklich! Gefällt mir nicht! Will ich nicht!“ oder „Gefällt mir, das will ich haben!“.
Gleich ob es sich um eine wunderschöne Blume, einen Menschen, irgendein anderes „Objekt“ unserer natürlichen Umgebung oder eines aus dem unermesslichen Angebot unserer Konsumkultur handelt. Oder auch um ein Gefühl, das Erspüren und Erleben einer Situation oder einen konkreten Gedanken.
Oh!
Nur dies, nur dies!
Stille! Unmöglich, mehr zu sagen.
Das ist auch die Erfahrung des unmittelbaren Einlassens auf das, was ist. Einfach tun, ohne darüber nachzudenken. Sich ganz einlassen auf den Augenblick, ihn annehmen.
Nur atmen, nur gehen, nur sitzen, nur stehen,
nur schauen, nur lauschen, nur spüren,
nur diese Frucht schälen, nur sie essen und ihren wunderbaren Geschmack erleben.
Ganz aufgehen und verschmelzen in das gegenwärtige Tun. Nur fließen, nicht hadern und Widerstand leisten.
Kindern ist diese Erfahrung in der Regel noch nicht abhanden gekommen, auch wenn sie häufig unter Zeit- und Leistungsdruck stehen und ihre viel zu frühe Konfrontation mit der digitalen Welt ihnen einen Rhythmus auferlegt, dessen viel zu schneller Takt sie von einer wesentlichen Erfahrung ihrer Wirklichkeit entfremdet.
Dennoch, wenn wir sie bei ihrem Staunen und Tun beobachten, können sie uns wertvolle Lehrmeister sein, um wiederzuentdecken, was uns verloren ging. Einfach im Augenblick mit ihnen gemeinsam präsent sein.
In der Meditation üben wir nichts anderes, schauen und lauschen, um zu erfahren, wer wir wirklich sind, bevor wir uns identifizieren mit einem bloßen Teilaspekt unseres umfassenden Seins.
Auf dem Zenweg wird unser Atem zur zentralen Übung. Wir schauen ihm zu und verbinden darüber unseren Körper und unseren Geist mit der uns tragenden Welt. Gleich was wir tun, wir sind uns dessen achtsam bewusst. Wir üben nichts anderes als Gegenwart.
Kinder sind häufig noch mitten drin und müssen gar nicht üben, was ihnen dennoch im Laufe ihres Reiferwerdens verloren geht. Muss das zwangsläufig so sein oder gibt es Wege, sich diese Weise der Präsenz und der unmittelbaren Erfahrung zu erhalten?
Und sind Kinder bereits erleuchtet, wofür wir dann Jahre auf unserem Kissen verbringen müssen? Kinder können sich eben noch Zeit lassen, wir Erwachsene mit unserer Unzahl an zu erledigenden Aufgaben und Verpflichtungen eben nicht.
Um die Individuation kommen wir nicht herum, mit einem Erkennen und Identifizieren also dessen, was in uns einmalig angelegt ist und zur Entfaltung drängt. Es gehört aber auch zu unserem Menschsein, sozusagen mit zu unserem kosmischen Auftrag, zu erfahren, was dieses universale Leben als solches ist. Kognitives Erkennen ist uns gegeben und es ist sinnvoll, solange wir es nicht verabsolutieren und alle anderen Modalitäten der Wahrnehmung verdrängen. Jeder von uns ist eine einmalige und vollkommene Verkörperung dieses Lebens und darauf angelegt, zu entwickeln, was in ihm im Zusammenspiel mit seiner Mitwelt möglich ist.
Nicht nur Kinder, jeder von uns ist bereits erleuchtet. Es geht auf unserem Zen-Weg nicht darum, Erleuchtung zu erreichen, auch wenn das so häufig missverstanden wird. Wir sind es bereits, jetzt gerade, wo Du diese Zeilen liest und diesen Augenblick jetzt erfährst.
Wir gehen diesen Weg nicht, um schließlich nach vielen Anstrengungen und Entbehrungen etwas anderes zu werden, als wir bereit sind. Wir gehen ihn, weil wir ihn gehen, jeder Schritt ist bereits die eine vollständige Erleuchtung. Das, was wir als Mangel empfinden, als ein Fehlen von Erleuchtung, ist lediglich unserer Unachtsamkeit geschuldet, nicht zu sehen, was ist, nicht zu spüren, was ist.
Wir hängen fest an unseren Konditionierungen und Konstruktionen und müssen üben, was Kindern noch viel leichter fällt. Wenn wir sie denn nicht von vorneherein zuschütten mit allem, was ihre Sinne abstumpft und ihre Wahrnehmung einschränkt und wenn wir sie nicht achten als das, was sie sind, vollständig und vollkommen und doch angewiesen auf unseren Schutz, unseren Respekt und unsere Sicherheit.
Die unmittelbaren Erfahrungen, jedenfalls diejenigen, die von Liebe und Mitgefühl geprägt sind, geben Kindern das notwendige Vertrauen in ihren individuellen Weg. Dieses Vertrauen zu stärken und unseren Kindern die Zeit und den Raum für vertiefte Erfahrungen zu geben, liegt in der Verantwortung von uns Erwachsenen.
Dafür bekommen wir unendlich viel zurück.
Kinder geben uns Hinweise, wo wir suchen müssen,
um herauszufinden, wer wir wirklich sind.
Dazu müssen wir nur innehalten und
ihnen eine Weile zuschauen.
Kein Augenblick ist wertlos.