Was ist Zen? Immer wieder diese Frage, schon so viele Antworten.
„Eine Übertragung außerhalb der Schriften, unmittelbar auf des Menschen Herz zielend“ (Bodhidharma 9.Jhdt) oder „Zen ist der Geschmack von wilden Erdbeeren“ (Vreni Merz, 2002).
Doch gibt es keine endgültige Antwort und keine eindeutige, nur viele verschiedene. Ein Prozess, der sich ständig verändert, kann man immer wieder nur neu versuchen, zu beschreiben und jede Beschreibung wird unvollständig sein.
Zen ist nichts anderes als unser Leben, als unser wahres Leben. Im Zen geht es immer nur darum, die Wirklichkeit so zu erfahren, wie sie ist, ganz im diesseits, in unserem Alltag, aber jenseits all unserer verblendeten Vorstellungen, die wir auch als Ich bezeichnen.
Die wahre Wirklichkeit zu erfahren, nennen wir im Zen auch Satori. Das ist nichts anderes als die Erfahrung Shakyamuni Buddhas. Diese Erfahrung und ihre Verwirklichung im Alltag ist das zentrale Anliegen des Zen.
Zen ist nicht das gleiche wie Buddhismus sondern führt über jeden „ismus“ hinaus. Auch wenn Zen in seiner Geschichte lange mit dem Buddhismus verbunden war, ist diese Verbindung nicht zwingend. In der Erfahrung, um die es geht, gibt es keine Unterschiede mehr, weder konfessionell oder ideologisch noch kulturell oder ethnisch.
Zen zeigt sich in den unterschiedlichsten Gewändern und wir alle auf dem Weg suchen nach angemessenen und zeitgenössischen Ausdrucksformen, die uns entsprechen und doch das Wesentliche ungehindert hervortreten lassen. Wir müssen nicht eine chinesische oder japanische oder koreanische Tradition kopieren, es reicht aber auch nicht, lediglich ein paar Meditationstechniken aus der langen und reichen Tradition zu nehmen, sie von ihrem buddhistischen oder möglicherweise religiösen Kontext zu entkleiden und ein Derivat zu präsentieren, dass angeblich den Kern der Erfahrung enthält und zu ihr hinführt.
„Leere Weite, nichts von heilig“, sagte Bodhidharma und charakterisierte damit vollständig seinen Weg. Aber diesen Weg haben wir unser Leben lang zu gehen, das ist nichts für ein Wochenende oder ein Dreimonatsprogramm.
Letztenendes geht es um eine vollständige Transformation und um unsere Entwicklung. Wir wissen nicht, wie das genau auszusehen hat aber es geht sicher nicht um persönliches Glück und körperliche Fitness, um Wellness und Gesundheit, um den Abbau von Stress oder gar um eine höhere Belastbarkeit in unserem Verwertungssystem und um effektivere Menschenführung, um innerhalb unserer dominierenden neoliberalen Ökonomie noch mehr aus ihnen heraus zu holen und damit dieses System zu stabilisieren, statt es gewaltfrei zu überwinden.
Natürlich, alle Menschen sollen glücklich sein, aber eben alle, nicht nur ich! Darum sollten wir auch sehr genau aufpassen, dass unsere Erfahrung der Verbundenheit und der Einheit mit allen, die wir auf diesem Weg machen, nicht nur unsere eigene Gier und unseren eigenen Hass domestiziert sondern einmündet in eine umfassende Verantwortung für unser aller Leben, eben auch für soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften.
Achtsamkeit ist eine wesentliche erlernbare Haltung auf unserem Weg. Achtsamkeit ist aber auch gerade eine Mode und in aller Munde. Wir sollten sie uns nicht zerreden und uns als stetige Haltung nehmen lassen von einem geschickten Marketing, dass unser konsumorientiertes Streben letztlich verstärkt, statt es loszulassen. Achtsamkeitstraining kann uns sehr gut tun, uns einen besseren Zugang zu unserer körperlichen und geistigen Existenz ermöglichen und uns auf unserem Weg ermutigen und stärken. Insoweit sei es allen empfohlen. Aber das ist dann noch nicht alles.
Der Hinwendung nach Innen, dem körperlichen Erspüren und der Betrachtung eigener Gedanken und Gefühle muss durch eine Hin- und Zuwendung nach Außen und einer aktiven Teilnahme auf der Basis eines sich aus der Erfahrung entwickelnden ethischen Verhaltens vervollständigt werden.
Irgendwann, wenn ich dann die Illusion meines Ichs erfahre und die Leerheit und Substanzlosigkeit aller Erscheinungen, gibt es kein Innen oder Außen mehr. Das ist dann immer noch nicht alles. Es geht immer weiter, und es geht immer um diesen Atemzug gerade jetzt.